Im Herbst 2022 steht die Landesregierung von NRW vor einer Entscheidung: Darf der Kohlekonzern RWE das rheinländische Dorf Lützerath für die Erweiterung einer Kohlegrube dem Erdboden gleich machen oder meint sie es ernst mit dem Klimaschutz? Mit dieser Erklärung verkünden wir, die Unterzeichnenden, unsere Absicht vor Ort zu sein und uns der Zerstörung in den Weg zu stellen, sollte die Landesregierung Lützerath räumen und abreißen wollen.
Die Fakten sind klar. Wenn nicht jetzt sofort umgelenkt wird, sind alle Bemühungen, die 1,5°C-Grenze noch einzuhalten und damit die Auswirkungen der Klimakatastrophe einzudämmen, zum Scheitern verurteilt. Seit Jahrzehnten fordern Wissenschaftler*innen, Betroffene und Aktivist*innen, unverzüglich Kohle, Öl und Gas im Boden zu lassen. Wir müssen unser Wirtschaftssystem umbauen, um das Überleben von Millionen Menschen und eine gerechte Gesellschaft zu ermöglichen.
Die Klimaerhitzung führt zu immer mehr und heftigeren Extremwettern – derzeit unter anderem eine dramatische Hitzewelle in Indien, eine verheerende Dürre im Osten Kenias und über 40 Grad erhöhte Durchschnittstemperaturen in der Antarktis. Aufgrund der rasanten Klimaerhitzung befinden wir uns in einem sechsten Massenaussterben von Tier- und Pflanzenarten. Die Klimaaktivistin Vanessa Nakate aus Uganda erinnert daran, dass die aktuelle Klimaerhitzung um 1,2 Grad "die Hölle“ für viele Menschen und Gemeinschaften im Globalen Süden ist. Diese Gemeinschaften haben am wenigsten zur Klimakrise beigetragen und kämpfen zugleich schon am längsten gegen die globale Ungerechtigkeit, die sie hervorgebracht hat. Wir stellen uns an ihre Seite.
Deutschlands Verantwortung in Lützerath ist offensichtlich. Das Rheinische Kohlerevier ist Europas größte CO2-Schleuder. RWE plant, zwischen Aachen, Köln und Düsseldorf mehrere hundert Millionen Tonnen abzubauen und zu verbrennen. Mit dem 1,5°C-Limit sind diese Mengen nicht vereinbar. Unter Lützerath ist die Kohleschicht besonders groß, weshalb der Erhalt des Dorfes zu einer besonders großen Einsparung von CO2 führt. Keine andere Maßnahme kann so schnell und so einfach CO2 einsparen.
Diese Chance müssen wir nutzen. Die Regierung in Nordrhein-Westfalen hätte die Möglichkeit, den Erkenntnissen der Wissenschaft, den Forderungen von Klimawandel-Betroffenen und den Bedürfnissen zukünftiger Generationen zu entsprechen und ihren Worten endlich Taten folgen zu lassen. Stattdessen versuchen CDU und GRÜNE, Lützerath als nettes, aber letztlich belangloses 'Symbol' kleinzureden, um ihren Koalitionsfrieden aufzubauen und den Kohlekonzern RWE nicht zu verärgern. Ihr Kalkül ist, dass wir schon nicht so viele und nicht so entschlossen sein werden. Sie spekulieren darauf, dass eine Räumung Lützeraths rasch vorbei ist und schnell in Vergessenheit gerät.
Damit begehen sie einen großen Fehler. Seit vielen Jahren protestieren Anwohnende und Umsiedlungsbetroffene, Klimaaktive, Landwirt*innen, Großeltern, Geistliche, Kulturschaffende und Prominente mit vielen Tausend Menschen dafür, dass alle Dörfer bleiben. Durch dieses Engagement konnten bereits einige Dörfer im Rheinland erhalten bleiben – und wir sind fest entschlossen, auch Lützerath zu retten.
Vor vier Jahren haben zehntausende Menschen in Baumhäusern, vor Gericht und auf der Straße den Erhalt des Hambacher Waldes erstritten. Gemeinsam haben wir dafür gesorgt, dass 1,1 Milliarden Tonnen Kohle im Boden bleiben. Noch während der dreiwöchigen Räumung – dem widerrechtlichen und größten Polizeieinsatz in der Geschichte Nordrhein-Westfalens – behauptete der RWE-Chef, dass der Erhalt des Waldes eine ‚Illusion‘ sei. Unsere massenhaften Proteste, die solidarische Vielfalt unserer Aktionsformen und unsere Entschlossenheit haben diese ‚Illusion‘ Wirklichkeit werden lassen. Wir haben klargemacht, dass nicht der Erhalt unserer Lebensgrundlagen, sondern die fossile, profitorientierte Gesellschaftsordnung die eigentliche Illusion ist. Diese Erfahrung nehmen wir mit nach Lützerath und teilen sie mit allen, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzen: Eine andere Welt ist möglich!
Die Zeit des Wartens ist vorbei. Die Zeit der leeren Worte ist vorbei. Die Zeit des Handelns ist gekommen.