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An: Herbert Reul (Innenminister NRW)

Aufklärung. Anerkennung. Konsequenzen. Kein Schlussstrich im Fall Solinger Brandanschlag 2024!

Die betroffenen Familien: Die Eltern von Kancho und Katya, sowie die Überlebenden Ayshe und Nihat K.
Am 30. Juli 2025 wurde vor dem Landgericht Wuppertal das Urteil im Verfahren zum tödlichen Brandanschlag in Solingen gesprochen. Ein Urteil, das die Höchststrafe vorsieht – aber dennoch keine Gerechtigkeit bietet. Vier Menschen wurden ermordet. Mehrere teils schwer verletzt, darunter eine Familie mit einem Baby, welche sich nur durch den Sprung aus dem Fenster des 3. Stocks retten konnte. (1) 

Was bleibt, ist ein erschütterndes Bild von Ermittlungen mit erheblichen Lücken – und ein Urteil, das zentrale Fragen zur politischen Dimension der Tat unbeantwortet lässt. Hinweise auf rechtsextreme Inhalte, frühere Brände, digitale Spuren, Kontakte ins identitäre Milieu – all das war bekannt. Doch es wurde nicht konsequent verfolgt. Eine rassistische Tatmotivation wurde infolgedessen juristisch nicht anerkannt. (2,3) Für die Betroffenen ist das kaum auszuhalten.

Herr Reul, Sie haben gesagt: „Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung für unsere Demokratie.“ (4) Aber Worte reichen nicht. Nach diesem Prozess muss gelten: Wer Hinweise auf rassistische Gewalt nicht als solche erkennt, macht sie unsichtbar – und schützt nicht die Demokratie, sondern ihre Gegner.

Zeigen Sie, dass sich so etwas nicht wiederholen darf.
Zeigen Sie, dass Betroffene in NRW endlich ernst genommen werden.
Zeigen Sie, dass die Toten des Brandanschlags Solingen 2024 nicht vergessen werden.

Wir fordern:

  • Eine unabhängige Untersuchungskommission zur Aufarbeitung der Ermittlungsarbeit im Fall Solingen 2024.

  • Verpflichtende Schulungen für Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz zu rassismuskritischer Ermittlungsführung.

  • Transparente Konsequenzen, wenn Hinweise auf politisch motivierte Gewalt ignoriert oder bagatellisiert werden.

  • Eine unabhängige Kontroll- und Beschwerdestelle bei rassismusbezogenem Fehlverhalten von Ermittlungsbehörden in NRW.

  • Eine verbindliche Beteiligung von Betroffenen und Fachstellen bei der Weiterentwicklung von Leitlinien und Standards zum Umgang mit rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.

Jetzt unterzeichnen – für Gerechtigkeit für die Betroffenen und Hinterbliebenen des Brandanschlags Solingen 2024 – und für den Schutz aller vor rechter Gewalt.

Quellen:
(1) TAZ: Brandanschlag in Solingen Feuer tötet Familie (27.3.2024)
(2) TAZ: Rassistische Brandstiftung in Solingen: Wenn Beamte das Motiv vertuschen (13.5.2025)
(3) WDR: Brandanschlag in Solingen: Angeklagter nicht rechtsradikal? (25.07.2025)
(4) Verfassungsschutz veröffentlicht Lagebild Rechtsextremismus (19.03.2025)

Warum ist das wichtig?

Haben wir aus dem NSU-Komplex nichts gelernt?
Was sagt es über den Zustand unserer Sicherheitsbehörden aus, wenn selbst bei einem geständigen Täter, rechtsextremen Dateien und betroffenen Familien mit Migrationsgeschichte eine rassistische Tatmotivation nicht vollumfänglich und proaktiv ausermittelt wird? Kein Einzelfall. Kein blinder Fleck. Rechte Gewalt benennen – Konsequenzen ziehen!

Obwohl es zahlreiche Hinweise auf rechtsextreme Inhalte im Umfeld des Täters gab – darunter digitale Dateien, Kommunikationsverläufe und Suchanfragen – wurden diese im Gerichtsverfahren entweder nicht vollständig geprüft oder nicht weiter berücksichtigt. Zentrale digitale Daten wurden monatelang nicht ausgewertet. Als dies schließlich geschah, wurden Inhalte mit rechtsextremer und menschenverachtender Ideologie entweder gar nicht dem Täter zugeordnet oder in ihrer Relevanz für die Tat nicht weiter geprüft – trotz der Tragweite des Falls. (2)

Die mangelnde Gründlichkeit und Verzögerung in den Ermittlungen hatte massive Auswirkungen: Ermittlungen, die längst abgeschlossen hätten sein müssen, liefen noch während des Gerichtsprozesses – unter hohem Zeitdruck, ohne die notwendige Tiefe. Dadurch konnten zentrale Aspekte nicht mehr geklärt werden, eine umfassende Analyse blieb aus. Eine rassistische Tatmotivation wurde infolgedessen juristisch nicht anerkannt.

Dabei wäre es nach all den Erkenntnissen aus dem NSU-Komplex längst geboten, bei Gewalttaten gegen Menschen mit Migrationsgeschichte standardmäßig und proaktiv auch auf ein mögliches rassistisches Tatmotiv hin zu ermitteln. Dass dies erneut unterlassen wurde, hat gravierende Folgen – für die Betroffenen, für die Wahrheitssuche und für das Vertrauen in die Ermittlungsbehörden.

Zwar wurde im Verfahren ein psychiatrisches Gutachten herangezogen, das die Tat auf persönliche Konfliktlagen und psychodynamische Entladung deutet. Doch bleibt unklar, welche Rolle gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit dabei möglicherweise spielte – weil entsprechende Hinweise nicht konsequent verfolgt oder eingeordnet wurden. Immerhin spricht das Gutachten auch von einer in der Persönlichkeit des Täters angelegten Selbsterhöhung durch Abwertung anderer. Eine umfassende Betrachtung, die sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Faktoren berücksichtigt, hätte gerade in diesem Fall besonders sorgfältig erfolgen müssen.

Was zudem schwer wiegt: Die Tat hätte verhindert werden können. Bereits 2022 zündete der Täter ein Wohnhaus in Wuppertal an. Es wurde keine Brandursachenermittlung durchgeführt. In diesem Jahr stellte ein Brandgutachter nachträglich fest, dass ein technischer Defekt, wie er von der Polizei als Brandursache konstatierte wurde, definitiv ausgeschlossen werden kann. Es handelte sich klar um Brandstiftung. (3) 

Für die Hinterbliebenen ist das alles kaum auszuhalten. Sie fordern, dass alle Fragen gestellt – und ernsthaft geprüft – werden. Doch viele dieser Fragen sind bis heute offen. Und diese offenen Fragen stellen eine enorme seelische Belastung dar.

Hinzu kommt: Immer neue Beweismittel oder Analysen mitten im laufenden Prozess – oft begleitet von langen Unterbrechungen – führten für die Betroffenen zu emotionalen Ausnahmezuständen. Die fehlende Transparenz und Konsequenz der Ermittlungsbehörden haben nicht nur das Verfahren erschwert, sondern auch Vertrauen zerstört. Zweifel bleiben: Wurde wirklich alles aufgeklärt? Wurde alles getan, um der Wahrheit gerecht zu werden?

Für die Verarbeitung des Traumas, für ein Gefühl von Sicherheit, für das Vertrauen in den Rechtsstaat sind solche Zweifel fatal. Das staatliche Versprechen, zu schützen und aufzuklären, wurde aus Sicht der Betroffenen nicht eingelöst. Was bedeutet das für alle Menschen, die potenziell selbst Ziel rechter Gewalt werden können – und wissen: Der Staat wird es vielleicht nicht einmal als solche benennen? Es braucht Aufklärung. Konsequenzen. Und politische Verantwortung. 

Das Urteil ist gesprochen. Doch für die Betroffenen ist der Schmerz nicht vorbei. Im Gegenteil: Sie erleben, wie ihr Leid nicht benannt, ihre Perspektive nicht gehört und ihre Fragen nach dem Warum nicht beantwortet werden.

Das Problem ist nicht neu. Dass mögliche Tatmotive im Zusammenhang mit rassistischen Feindbildern oft nicht vollständig aufgearbeitet oder juristisch berücksichtigt werden, ist keine Ausnahme – es verweist auf ein strukturelles Problem. Rassistische Gewalt wird von Ermittlungsbehörden oft nicht benannt – und dadurch unsichtbar gemacht. Für Betroffene bedeutet dies, dass ihnen nicht geglaubt und ihr Leid nicht anerkannt wird. Für uns alle bedeutet das eine Gefahr für unsere Demokratie. Und es ist Aufgabe des Staates, dies zu benennen und zu beheben.

Ob ein Motiv juristisch als „handlungsleitend“ gilt, ist eine schwierige, aber zentrale Frage: Für Betroffene und Angehörige ist entscheidend, dass ihre Perspektive gehört und ihre Erfahrung ernst genommen wird – auch, wenn ein Motiv nur mitgespielt haben könnte. Gerade in Verfahren dieser Tragweite ist es notwendig, das vollständige Bild zu ermitteln und auch strukturelle Dimensionen rassistischer Gewalt nicht auszublenden. Alles andere sendet ein verheerendes Signal – sowohl an Betroffene als auch an Täter.

Wir fordern: Das darf nicht länger so weitergehen. Es braucht Konsequenzen – politische, strukturelle und personelle. Die Verantwortlichen müssen handeln. Jetzt.

Diese Petition richtet sich an das Innenministerium NRW – denn dort liegt die Zuständigkeit für Polizei und Ermittlungsbehörden. Und dort liegt die Verantwortung, rechte Gewalt endlich ernst zu nehmen.
Nordrhein-Westfalen, Deutschland

Maps © Stamen; Data © OSM and contributors, ODbL

Kategorie

Neuigkeiten

2025-09-19 11:46:39 +0200

Liebe Unterstützer*innen,

im Interview mit den Ermittlern des Brandanschlags von Solingen 2024 (https://www1.wdr.de/lokalzeit/fernsehen/bergisches-land/brandanschlagsprozess-ermittlende-aeussern-sich-zu-pannen-und-fehlern-100.html ) wurden Fehler eingeräumt – ein Schritt in die richtige Richtung. Die vorgestellten „Konsequenzen“ greifen jedoch zu kurz: Ein leitender Beamter wurde lediglich „herausgelöst“, die Überprüfung erfolgte durch eng verknüpfte Behörden, Betroffenenperspektiven bleiben unberücksichtigt und es fehlen unabhängige Kontrollmechanismen sowie klare, rassismuskritische Regeln für künftige Ermittlungen.

Die Schäden für die Betroffenen sind damit nicht aufgearbeitet, Vertrauen wird nicht wiederhergestellt. Deshalb läuft unsere Petition weiter: Wir fordern echte Aufklärung, Anerkennung der Verantwortung und konsequente Maßnahmen – kein bloßes Symbol.

Danke, dass ihr an der Seite der Betroffenen bleibt!

2025-09-01 16:57:00 +0200

Schon über 10.000 Unterschriften – danke! 🙏
Wir fordern weiter Aufklärung, Konsequenzen und Unterstützung für die Betroffenen des Brandanschlags in Solingen.

Parallel läuft unsere Spendenkampagne, die gerade die 20.000 €-Marke geknackt hat! 💜 Diese Mittel helfen, die betroffenen Familien nach dem Gerichtsprozess nicht allein zu lassen. Sie sind dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen - vor allem, da ihnen der Zugang zu spezifischen Entschädigungsleistungen nun verwehrt bleibt, und der Täter die Schmerzensgeldansprüche vermutlich nie begleichen wird. 👉 www.goodcrowd.org/solingen-2024

Ob Unterschrift oder Spende – beides ist wichtig. Zusammen setzen wir ein starkes Zeichen!

2025-08-29 23:19:39 +0200

10,000 Unterschriften erreicht

2025-08-20 15:17:33 +0200

5,000 Unterschriften erreicht

2025-07-30 16:03:38 +0200

1,000 Unterschriften erreicht

2025-07-30 14:28:37 +0200

500 Unterschriften erreicht

2025-07-30 13:52:56 +0200

100 Unterschriften erreicht

2025-07-30 13:50:16 +0200

50 Unterschriften erreicht

2025-07-30 13:48:43 +0200

25 Unterschriften erreicht

2025-07-30 13:47:40 +0200

10 Unterschriften erreicht