Skip to main content

An: Hessische Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat

Marburg fordert: Femizide ernst nehmen und verhindern!

Bild von Mika Baumeister auf Unsplash
Die Anzahl von Femiziden steigt jährlich. Im Jahr 2023 waren es alleine in Deutschland bereits 360 vollendete Tötungen. Somit wird mittlerweile nahezu täglich eine Frau / ein Mädchen von einem Mann getötet. Diese Tötungen sind FEMIZIDE! Dies bedeutet: eine Frau wird umgebracht aufgrund ihres Geschlechts, d.h. weil sie eine Frau ist und der Täter beispielsweise keine Zurückweisung von einer Frau akzeptieren wollte oder bestimmte Vorstellungen von der weiblichen Rolle hatte, denen die Frau nicht entsprochen hat.

Wir fordern dazu auf, diese Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu beenden. Der unabdingbare erste Schritt ist es, diese Gewalt als Ausdruck einer strukturellen Geschlechterungerechtigkeit zu begreifen, diese so zu benennen und die Besitzansprüche, die in solchen Taten zum Ausdruck kommen, zu verurteilen. 

Warum ist das wichtig?

Wir – die AG Feminismus im Marburger Netzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus – wenden uns mit diesem Offenen Brief die Öffentlichkeit, die Medienschaffenden, die Akteur*innen der Zivilgesellschaft, die Politiker*innen und Abgeordneten und alle anderen Menschen in unserer Gesellschaft, um auf Femizide und auf die Art, wie diese in der medialen Öffentlichkeit dargestellt werden, aufmerksam zu machen.

Aktueller Anlass unseres Offenen Briefes ist der Femizid vom 03.04.2025 in Wetzlar-Blasbach. Hier wurde eine 17-jährige Frau von einem mutmaßlichen Rechtsextremisten und einschlägig vorbestraftem Täter getötet. Es wird davon ausgegangen, dass der Grund für diese Tötung darin lag, dass der Täter es nicht akzeptierte, dass sich die Frau nach einer kurzen Beziehung von ihm getrennt hatte. Die Frau hatte sich vor der Tat bereits an die Polizei gewandt und eine Strafanzeige wegen Stalking und Nötigung gestellt. 

Nach solchen Taten wird oft von „Eifersuchtsdramen“ oder „Familientragödien“ gesprochen – ein Narrativ, welches die strukturellen Machtverhältnisse, die hinter dieser Art von Tötungen stehen, völlig aus dem Blick geraten lässt und ihnen den Anschein einer privaten Angelegenheit gibt. Dabei sind es gerade gesellschaftliche Strukturen und verbreitete Vorstellungen von Geschlechterrollen, die solche Tötungen begünstigen. Teilweise wird dies auch in der Rechtsprechung bei der strafrechtlichen Einordnung solcher Taten verkannt, etwa indem die Eifersucht des Täters oder seine Wut über die Trennung als nachvollziehbare Beweggründe eingeordnet werden und die Taten deshalb als Totschlag und nicht als Mord aus niedrigen Beweggründen eingeordnet werden – mit der Folge einer milderen Bestrafung. Sachgerecht und auch im Einklang mit einer Reihe von Gerichtsurteilen ist es jedoch, die hinter diesen Taten stehenden patriarchalen Besitzansprüche gegenüber einer Frau als niedrige Beweggründe und Femizide damit als Morde einzuordnen. 

Die in der Berichterstattung häufig verwendeten Begriffe wie „Ehestreitigkeiten“, "Tragödie" oder "Beziehungsdrama", anstatt der Verwendung von "Trennungstötung" oder "Femizid" sind verharmlosend und unpräzise. Zudem suggerieren sie das plötzliche und angeblich unvorhersehbare Auftreten von Gewalt und verdecken damit die strukturelle Gewaltbetroffenheit von Frauen. Zu lesen ist in diesen Fällen in der Headline dann häufig „Ehestreit eskaliert – Mann verletzt und tötet seine Frau mit einem Messer“.

Da Femizide nur die "Spitze des Eisberges" von Gewalt gegen Frauen und Mädchen darstellen, muss viel früher angesetzt werden: Neben einem konsequenten Gewaltschutz braucht es grundlegende Veränderungen im Geschlechterverhältnis, die allen Personen unabhängig von ihrem Geschlecht ein freies Leben als gleichwertige und selbstbestimmte Personen ermöglichen. Die Ausübung solcher Taten wird begünstigt durch die Vorstellung, eine Frau könne einem Mann „gehören“. Es sind damit grundlegende Vorstellungen von der Ungleichwertigkeit von Frauen und Mädchen, die letztendlich die Gewaltanwendung ihnen gegenüber begünstigen. Geschlechtergerechtigkeit wird damit zum unabdingbaren Baustein bei der Verhinderung geschlechtsspezifischer Gewalt.

Es ist von größter Wichtigkeit und ein erster Schritt zur Verhinderung von Femiziden, dass die Tötungen von Frauen und Mädchen als Ausdruck einer strukturellen Geschlechterungerechtigkeit begriffen werden, diese so benannt und die Besitzansprüche, die in solchen Taten zum Ausdruck kommen, verurteilt werden.

Erstzeichnende
Die Erstzeichnenden unterstützen die Initiative der AG Feminismus: 
  • Nina Ahlig 
  • Dr. Christine Amend-Wegmann, Universitätsstadt Marburg
  • Fatma Aydin, Stadtverordnete in der Stadtverordnetenversammlung der Universitätsstadt Marburg, SPD Fraktion
  • Nadine Bernshausen, Bürgermeisterin der Universitätsstadt Marburg
  • Marion Breu, Waggonhalle, Marburg
  • Kirsten Dinnebier, Stadträtin der Universitätsstadt Marburg
  • Dörte Frank-Bögner, pro familia Ortsverein Marburg e.V.
  • Stephanie Gebhardt, Marburg
  • Laura Griese, Universitätsstadt Marburg
  • Christine Karches, pro familia Ortsverein Marburg e.V.
  • Myriel Kopatz
  • Prof. Dr. Helga Krüger-Kirn, Psychoanalytikerin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene
  • Eva Lange, Intendant*in HLTM, Marburg
  • Rita Theresa Schroll, Leiterin des Hessischen Koordinationsbüros für Frauen mit Behinderung, im Paritätischen Wohlfahrtsverband, Landesverband Hessen e. V.
  • Dr. Nina Schumacher, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Philipps-Universität Marburg 
  • Dr. Thomas Spies, Oberbürgermeister der Universitätsstadt Marburg
  • Rüdiger Stolzenberg, Marburg
  • Britta Thomé, Marburg
  • Uli Thomé, Marburg
  • Carola Unser-Leichtweiß, Intendant*in HLTM, Marburg
  • Dr. Katrin Werner-Kappler, Marburg
  • Maja Werner, Marburg
  • Jens Womelsdorf, Landrat des Landkreises Marburg-Biedenkopf

Quellen und weiterführende Informationen:
[1]  https://www.tagesschau.de/inland/straftaten-frauen-statistik-100.html   
[2]  https://www.deutschlandfunk.de/gewalt-frauen-femizide-100.html
[3]  Papier des djb (Deutscher Juristinnenbund): https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st19-24
[4]  Stellungnahme des djb (Deutscher Juristinnenbund): https://www.bundestag.de/resource/blob/825094/7b9686a4cc2cab7f2858a7352c8226e7/19-13-121d.pdf
[5]  Verfassungsblog: https://verfassungsblog.de/femizide-neues-mordmerkmal/
[6]  Verfassungsblog: https://verfassungsblog.de/mehr-schein-als-schutz/
[7]  WHO-Definition zu Femiziden: https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/77421/WHO_RHR_12.38_eng.pdf;jsessionid=D217B9DFEAC081B2176EC325AF72B692?sequence=1
[8]  Istanbul-Konvention: https://rm.coe.int/1680462535
[9]  Publikation: Hedayati, A.: Die stille Gewalt, 3. Aufl., Rowohlt, Hamburg, 2023
[10]  Publikation: Streuer, J.: Feminizid. Diskursbegriff, Rechtsbegriff, Völkerstrafrechtsbegriff, Nomos, Baden-Baden, 2023
35 Marburg, Deutschland

Maps © Stamen; Data © OSM and contributors, ODbL

Kategorie

Links

Neuigkeiten

2025-07-17 07:34:49 +0200

1,000 Unterschriften erreicht

2025-07-16 17:39:43 +0200

500 Unterschriften erreicht

2025-06-02 09:23:45 +0200

100 Unterschriften erreicht

2025-05-27 17:54:23 +0200

50 Unterschriften erreicht

2025-05-26 12:36:48 +0200

25 Unterschriften erreicht

2025-05-16 08:35:12 +0200

10 Unterschriften erreicht