Es ist der Albtraum aller Mütter und Väter: Ein neunjähriges Mädchen fuhr in München auf einem Radweg, den Schulranzen auf den Rücken geschnallt. An einer Kreuzung wollte es geradeaus weiterfahren, die Ampel für den Fußgänger- und Radfahrerüberweg leuchtete nach Polizeiangaben grün. Doch genau in diesem Moment bog ein schwerer Lastwagen rechts ab, erfasste das Kind und überrollte es samt Fahrrad. Im Kinderkrankenhaus erlag es seinen schweren Verletzungen. [1] Am selben Tag wurde in Hamburg eine 33-jährige Radfahrerin von einem rechtsabbiegenden LKW überfahren. Sie hinterlässt zwei kleine Kinder. [2]
Allein in den ersten Monaten 2018 wurden 15 Radfahrer/innen bei Unfällen mit Lastwagen getötet. [3] Die Unfälle weisen auf großes Problem hin: Beim Abbiegen sehen LKW-Fahrer/innen kaum, wer neben Ihnen fährt. Doch das ließe sich ändern, wenn man nur wollte, sagen Expert/innen. Es gibt nämlich längst technische Lösungen, durch die sich die meisten derartigen Unfälle vermeiden ließen.
Kameras und akustische Warnsysteme könnten die LKW-Fahrer/innen auf Radfahrende oder Fußgänger/innen im toten Winkel aufmerksam machen. Zuverlässige Anlagen kosten nur etwa 1.500 Euro. Eine geringe Summe, wenn man an die Leben denkt, die damit gerettet werden könnten.
Seit Jahren vertagt die Bundesregierung das Thema immer wieder und schiebt die Verantwortung nach Brüssel ab.
Update Oktober 2019:
Im Sommer 2018 habe ich Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) getroffen und ihm unsere Unterschriften überreicht. Doch außer der “Aktion Abbiegeassistent”, die ausschließlich auf Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung setzt, hat der Verkehrsminister bisher nicht genug unternommen, um Radfahrer/innen und Fußgänger/innen vor Abbiege-Unfällen zu schützen. Ich bin nach wie vor der Meinung: Das reicht nicht. Wir brauchen eine gesetzliche Pflicht für LKW-Abbiege-Assistenten. Nur so können Leben gerettet werden!
Anderswo in Europa ist man mutiger: Die Stadt Wien führt ab 2021 ein faktisches Fahrverbot für LKW ohne Abbiegeassistenten ein. [4] Die Möglichkeit dafür schafft eine Änderung der Straßenverkehrsordnung, die seit September 2019 in Kraft ist.
Warum geht das in Österreich und nicht auch bei uns? Auch in Deutschland gibt es Überlegungen, kommunale Fahrverbote für LKW ohne Abbiegeassistenten zu erlassen. In Berlin hat dies die Grüne Fraktion im Abgeordnetenhaus nach einem tödlichen Abbiegeunfall im Februar 2019 gefordert. [5] Damit Kommunen solche Regelungen erlassen können, brauchen sie Rechtssicherheit. Eine einfache Änderung der Straßenverkehrsordnung kann dafür sorgen. [6] Eine solche Änderung fordern wir jetzt von Verkehrsminister Scheuer und den Landesverkehrsminister*innen.
________
[1] „Mädchen wird von Lastwagen überrollt und getötet“, Süddeutsche Zeitung vom 7.5.2018
[2] „Mahnwache für tödlich verletzte Radfahrerin“, ndr.de am 7.5.2018
[3] Pressemitteilung des Allgemeinen Deutschen Fahradclubs (ADFC) vom 7.5.2018
[4] “Wien: De-facto-Fahrverbot für Lkws ohne Abbiegeassistenten”, ORF am 5.9.2019
[5] “Unfall in Berlin-Mitte: Radfahrerin von Lkw getötet”, Tagesspiegel am 20.2.2019
[6] Rechtsgutachten der Grünen Bundestagsfraktion: Vorschlag Änderung § 45 StVo.