Die Kriegsverbrechen des 7. Oktober 2023 durch die Hamas haben die israelische Bevölkerung tief erschüttert und traumatisiert. Allen Betroffenen, insbesondere den Geiseln und ihren Angehörigen gilt unsere Solidarität sowie unser tiefes Mitgefühl und wir sehen uns in der Pflicht, ihre Forderungen nach einem sofortigen Waffenstillstand zu stützen.
Die militärische Antwort der israelischen Regierung nach dem 7. Oktober 2023 darf jedoch nicht als Rechtfertigung für eine Kriegsführung dienen, die von einer Vielzahl internationaler Völkerrechtler und Völkerrechtlerinnen mittlerweile als unverhältnis- und unrechtmäßig eingestuft wird. Zumal sie mit der Begehung zahlreicher Kriegsverbrechen durch die israelische Regierung und Armee einhergeht, darunter Aushungerung und Vertreibung. Inzwischen äußert sich die israelische Regierung offen zu ihren Plänen einer vollständigen Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung und einer Annexion des Gazastreifens.
Diese militärische Gewalt dient nicht der Befreiung der noch lebenden Geiseln, deren Rettung höchste Priorität haben muss. Dieselbe Priorität gilt für Leben, Schutz und Würde der palästinensischen Zivilisten und Zivilistinnen. Im Sinne des universellen Völker- und Menschenrechts sowie der Unantastbarkeit der Menschenwürde müssen Bundesregierung und Bundestag sich ihnen nicht nur in gleichem Maße zuwenden, sondern entschiedener handeln:
Internationale Organisationen, darunter die Vereinten Nationen, das Internationale Komitee des Roten Kreuzes, Amnesty International und Medico International sowie zahlreiche Wissenschaftler und Politiker weiterer EU-Länder fordern einen sofortigen Stopp von Waffenlieferungen an Israel sowie eine umfassende humanitäre Unterstützung für die betroffene Zivilbevölkerung.
Humanitäre Hilfe muss sofortigen Zugang zum gesamten Gazastreifen erhalten. Ihre Verteilung sollte durch zivile, humanitäre und UN-Organisationen nach den Prinzipien der Unparteilichkeit und Neutralität erfolgen – und keine weiteren Vertreibungen verursachen. Die derzeitige international kritisierte Verteilungspraxis bewirkt das Gegenteil: Sie schließt die vulnerabelsten Gruppen faktisch aus – darunter Schwangere, Frauen, Kinder, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Verwundete, die die Verteilstationen nicht erreichen können. Diese Praxis führt zu neuer, erzwungener Vertreibung.
Deutschland hat sich stets zu den universellen Prinzipien des Völkerrechts und der Menschenrechte bekannt. Es ist daher unerlässlich, dass die Bundesregierung ihre Außenpolitik auch in diesem konkreten Fall an diesen Werten ausrichtet und sich aufgrund Deutschlands historischer Verantwortung gegenüber Israel nicht selbst von der Pflicht entbindet, Völkerrechtsverletzungen klar zu benennen und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Denn die Staatsräson steht weder über dem Völkerrecht noch über dem für seine Völkerrechtsfreundlichkeit bekannten Grundgesetz.
Deutschland hat aufgrund seiner historischen Schuld eine besondere Verantwortung: sowohl für die Einhaltung des Völkerrechts und der universellen Menschenrechte als auch für den Einsatz gegen Antisemitismus und Rassismus.
Das völkerrechtlich verbriefte Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung muss das politische Handeln Deutschlands deshalb mitbestimmen. Nur so kann ein Frieden in der Region und die Sicherheit Israels und Palästinas gewährleistet werden.