Von Cum-Ex[¹] über Wirecard[²] bis zu gepanschten Krebsmedikamenten[³] : Immer waren es Whistleblower, die große Wirtschaftsskandale und Missstände aufgedeckt haben. Gerade in Fällen von Korruption braucht es Insider, die auspacken. Sie setzen sich für das Gemeinwohl ein und beweisen dabei Mut und Zivilcourage.
Die hinweisgebenden Personen müssen erhebliche persönliche Risiken eingehen. Oft werden sie zu Unrecht als Denunzianten[⁴] beschimpft und ausgegrenzt, verlieren ihren Job oder müssen Repressionen erleiden.
Daher brauchen hinweisgebende Personen einen gesetzlichen Schutz. Der soll auch kommen: Am 16. Dezember 2019 ist die Whistleblowing-Richtlinie der EU in Kraft getreten. Sie hätte bis Dezember 2021 durch ein Gesetz in deutsches Recht „umgesetzt“ werden müssen.[⁵]
Das hat Deutschland bis heute nicht geschafft. Das kostet Deutschland viel Geld: jeden Tag rund 50.000 Euro Strafzahlung![⁶] Zunächst konnte sich die Große Koalition nicht einigen, dann war die Ampel am Zug: Sie hat zwar letztes Jahr einen Gesetzentwurf erarbeitet und im Deutschen Bundestag beschlossen. Doch im Februar scheiterte das Gesetz.[⁷] Ein zweiter Anlauf im Bundestag wurde Ende März abgebrochen.
Am 9. Mai trifft sich endlich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.[⁸] Dort suchen Ampel und Union nach einem Kompromiss.
Wir fordern von den Verhandlungsführenden im Vermittlungsausschuss:
- Das Whistleblower-Gesetz muss zügig beschlossen werden! Hinweisgebende Personen dürfen nicht weiter im Regen stehen, wenn sie auf Gesetzesverstöße und Missstände hinweisen.
- Das Gesetz darf nicht verwässert werden! Es muss umfassend gelten, d.h. immer dann, wenn Personen auf Straftaten und Ordnungswidrigkeiten hinweisen. Außerdem müssen auch anonyme Hinweise nachverfolgt werden.
Warum ist das wichtig?
Für einen guten Schutz von hinweisgebenden Personen braucht es ein Gesetz, das verständlich ist und umfassend gilt. Das gibt hinweisgebenden Personen ebenso wie Unternehmen und Behörden Rechtssicherheit.
Daher muss das Gesetz bei Hinweisen für sämtliche Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gelten. Der Vermittlungsausschuss sollte die Chance nutzen, den Anwendungsbereich des Gesetzes entsprechend umfassend auszugestalten. Was auf keinen Fall passieren sollte, wäre, hinter dem aktuellen Gesetzentwurf[⁹] zurückzubleiben – das würde neue Unsicherheiten für hinweisgebende Personen und einen hohen juristischen Aufwand für Unternehmen und Behörden bedeuten.
Unternehmen und Behörden müssen künftig Meldekanäle einrichten, über die Hinweise abgegeben werden können. Der aktuelle Gesetzentwurf sieht vor, dass dabei auch anonymen Hinweisen nachgegangen werden muss. Daran darf in den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss nicht gerüttelt werden!
Denn anonyme Meldekanäle haben sich in der Praxis bewährt. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen das Bedürfnis hinweisgebender Personen nach Anonymität.[¹⁰] Entgegen eines verbreiteten Missverständnisses laden anonyme Meldekanäle nicht zu missbräuchlichen Meldungen oder „Anschwärzen“ ein.[¹¹]
Vielen Dank für deine Unterstützung!
Quellen:
[¹] "Cum-Ex: Warum Eckart Seith ein Held ist", Süddeutsche Zeitung, 28. Oktober 2022
[²] "Wirecard-Whistleblower enttarnt sich", Frankfurter Allgemeine, 20. Mai 2021
[³] "Bottrop: Der Held, der keiner sein wollte", Bottroper Zeitung, 7. August 2022
[⁴] "Whistleblowing ist keine Denunziation", Springer Professional, 30. November 2018
[⁵] "Whistleblowing-Richtlinie: Das bedeuten die EU-Regeln für Deutschland", Deutschlandfunk, 16. Dezember 2021
[⁶] "Whistleblower-Gesetz: Verzögerung kostet täglich 50.000 Euro Strafe", Table.Media, 21. April 2023
[⁷] "Bundesrat kippt Whistleblower-Gesetz", Tagesschau, 10. Februar 2023
[⁸] "Vermittlungsverfahren zum Gesetz zum Schutz von Whistleblowern", Vermittlungsausschuss, 5. April 2023
[⁹] "Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender
Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von
Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden", Deutscher Bundestag, 14. Dezember 2022
[¹⁰] "Whistleblowing Report 2021", Studie der Universität Graubünden und der EQS Group, Integrityline, 2021
[¹¹] "Denunzianten? Heftige Attacken wegen Meldeportal gegen Steuerbetrug", Redaktionsnetzwerk Deutschland, 2. September 2021