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An: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier

Für einen sozial-ökologischen New Deal: Klimapolitik als Bürgerbewegung gestalten!

Die Coronakrise zeigt schmerzlich: Die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen basieren auf stabilen Versorgungsinfrastrukturen. Diese basieren ihrerseits auf intakten Ökosystemen. Die Klimakrise stellt diese Sicherheit grundlegend in Frage. Die Lösung der Klimakrise muss deshalb im Zentrum eines Konjunkturprogramms zur Revitalisierung der Ökonomie nach Corona stehen. Diese Revitalisierung muss, will sie erfolgreich und nachhaltig sein, den Umfang eines sozial-ökologischen New Deals haben.

Dies bedeutet konkret: Klimapolitik muss als Bürgerbewegung gestaltet werden. Obwohl die Mehrheit der Gesellschaft für einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien ist, hat dieser an Schwung verloren. Bis jetzt sind Bürgerinnen und Bürger die aktivsten Trägerinnen und Träger des Ausbaus der erneuerbaren. Über ein Drittel aller Eigentümerinnen und Eigentümer von Anlagen in der Bundesrepublik sind Privatpersonen. In ihnen liegt das stärkste Potential für den dynamischen und deutlichen Ausbau dieser Energien.

Wir fordern, folgende Punkte zügig umzusetzen:

1) Speicher auf der Nieder- und Mittelspannungsebene müssen von Abgaben und Steuern befreit werden [1]. Speicher und Wandler sind die Schlüssel für den Erfolg der Energiewende, die auf erneuerbaren Energien basiert. Durch diese Regelung wird der naturwissenschaftlich hergeleitete zelluläre Ansatz möglich und der mehrfach vom Bundestag beschlossene Grundsatz „nutzen statt abregeln“ umgesetzt. Speicher werden die Gesamtkosten des Systems senken.

2) Selbstverbrauchte Energie aus Eigenversorgung darf keinerlei Abgaben, Umlagen und Gebühren unterliegen [2]. Diese Regelung ermöglicht es, dass die vorhandenen Potentiale für den Einsatz erneuerbarer Energien gehoben werden und damit die Erreichung unserer Klimaziele ermöglicht wird. Gleichzeitig brauchen wir für eine sozial gerechte Verteilung der Kosten eine Neuordnung der Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien.

3) Auch Gemeinschaften von Eigenversorgern im Gebäude oder im Quartier müssen gesetzlich Einzelpersonen gleichgestellt werden [3]. Die bisherige Privilegierung von Eigentümern von Einfamilienhäusern ist nicht mehr zeitgemäß, wie die EU richtig erkannt hat.

4) Mieterstrom muss mit Eigenversorgung gesetzlich gleichgestellt werden [4]. Mieterstrom muss neu definiert werden [5]. Er kann eine Stromlieferung, aber auch eine Form von kollektiver Eigenversorgung sein. Diese Regelung schließt an die Punkte 2 und 3 an. Aus Klimaschutzgründen muss die Option bestehen, jedes geeignete Dach mit PV-Modulen zur Gewinnung der solaren Ernte auszustatten. Diese Regelung soll die Diskriminierung von Mieterinnen und Mietern bei der kollektiven Eigenversorgung mit Solarstrom beenden.

5) Kleine Bürgerenergieprojekte im Sinne der Erneuerbaren-Energie-Richtlinie müssen in die Lage versetzt werden, sich aktiv am Ausbau erneuerbarer Energien zu beteiligen [6]. Deshalb sollte eine Freistellung von verpflichtenden Ausschreibungen unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen werden, sowie die Möglichkeiten zur Kooperation mit lokalen Energieversorgern gestärkt werden.

6) Austausch und Handel mit Überschüssen innerhalb und zwischen kleinen Netzwerken im Quartier wie energy sharing, Nachbarschaftsstrom etc. muss gesetzlich ermöglicht werden und von Umlagen und Abgaben befreit sein [7]. Auch hier sind die Regelungen der EU eindeutig. Das Ziel dieser Regelung fördert die Wertschöpfung vor Ort und sichert zusammen mit dem Ausbau der Speicher (siehe 1.) einen wirtschaftlichen Ausbau und Betrieb der Stromnetze.

7) Wer sich klimafreundlich verhält und zukünftig Erneuerbare Energien selbst nutzt, sollte von administrativen Aufwendungen entlastet werden. Klimafreundliches Verhalten muss einfach möglich sein.

Warum ist das wichtig?

Ohne den deutlichen Ausbau der Erneuerbaren Energien wird Deutschland seine Klimaschutzziele nicht erfüllen können. Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie, dem Ausstieg aus der Kohle und perspektivisch dem Ausstieg aus Erdgas muss gleichwohl die Erhaltung der Versorgungssicherheit für die Gesellschaft gewährleistet bleiben. Auch bei kontinuierlicher Erschließung von Energieeffizienzpotentialen und fortschreitender Realisierung der Sektorenkopplung zwischen den Bereichen Energie, Verkehr und Gebäude wird der Stromverbrauch in Deutschland deutlich steigen. Deswegen muss der Ausbau Erneuerbarer Energien, von Speichern und Wandlern (Wasserstoffstrategie) deutlich gesteigert und mit einer digital gestützten Modernisierung der Strom- und Gasnetze verbunden werden. Hierzu müssen wir alle Potentiale nutzen, insbesondere auch die solaren Potentiale auf gewerblich genutzten Gebäuden und Geschosswohnungsbeständen.

Um diese Ziele zu erreichen muss das zivilgesellschaftliche Engagement gefördert und verbreitert werden. Wir brauchen eine neue Form der Kooperationskultur zwischen Bürgerinnen und Bürgern, (mittelständischen) Unternehmen und der lokalen Energiewirtschaft, die von den Stadtwerken geprägt ist. Wir brauchen eine zunehmende Aktivierung von privaten und öffentlichen Investitionen. Dies schließt den Wunsch nach einer unkomplizierten Nutzung von eigenständig produziertem umweltfreundlichen Strom in den Quartieren und Dörfern mit ein.

Hierfür sind grundlegende regulatorische Änderungen unabdingbar, wie sie die EU mit der Strombinnenmarktrichtlinie und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie für die Mitgliedsstaaten bereits verbindlich vorgegeben hat. Die EU hat richtig erkannt, dass ein zentralistisches Energiewendemodell scheitern muss, weil es die Beteiligungswünsche vieler Bürgerinnen und Bürger ignoriert, bzw. ihre Bereitschaft zur Eigeninitiative demotiviert. Und weil es verkennt, dass dezentrale Systeme mit Sektorenkopplung deutlich effizienter und kostengünstiger sind.

Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gilt es, neue Begeisterung für eine dezentrale Energiewende zu entfachen und im politisch-gesellschaftlichen Diskurs die Vorteile eines stark dezentralen Energiesystems mit 100 Prozent erneuerbaren Energien klar darzustellen. Daher braucht es eine Wiederbelebung und Verbreiterung des Konzeptes der Bürgerenergie – von Einzelpersonen, über Energie-Gemeinschaften und Genossenschaften, (kleinen und mittleren) Unternehmen, Wohnungsgenossenschaften, kommunalen und privaten Wohnungsunternehmen bis hin zu den von den Kommunen getragenen Stadtwerken. Dies ist der Schlüssel für eine sozial-ökologische Transformation – hin zu einer Ökonomie, die durch Partizipation, Innovation und Inklusion ökologische, soziale und wachstumsorientierte Potentiale für unser Gemeinwesen hebt und die Resilienz unserer Versorgungsinfrastrukturen garantiert.

Daher fordern wir Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat auf, die verbindlichen Vorgaben aus dem „Clean Energy Package“ unverzüglich in nationales Recht umzusetzen. In diesem Zusammenhang geht es insbesondere darum, die Hemmnisse für den Einsatz von erneuerbaren Energien in Deutschland zügig abzubauen.

Nur gemeinsam als Gesellschaft können wir auf die größte Herausforderung unserer Zeit, der Verwirklichung eines nachhaltigkeitsgerechten Klimaschutzes, mit der „Power of Community“ erfolgreich reagieren. Daher sind der Gesetzgeber und die ausführenden Verwaltungen in der Verantwortung: Hindernisse für den Einsatz der Erneuerbaren Energien müssen beseitigt, der Zugang zur Nutzung der Erneuerbaren Energien vereinfacht werden, um Bürgerinnen und Bürgern die Option einer aktiven Partizipation zur Rettung unseres Klimas zu ermöglichen.

Initiator*innen

Simone Peter, Präsidentin Bundesverband Erneuerbare Energie e.V.

René Mono, Vorstand Bündnis Bürgerenergie e.V.

Josef Göppel, Energiebeauftragter des BMZ für Afrika, eh. MdB , CSU

Klaus Mindrup, MdB, SPD

Unterzeichner*innen

Wolfgang Siegel, „Die Freunde von Prokon“

Prof. Eicke R. Weber, European Solar Manufacturing Council

Mario Ohoven, Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft

Markus Kaeser, BürgerEnergie Bayern

Prof. Reinhard Guthke, BürgerEnergie Thüringen

Dr. Verena Ruppert, BürgerEnergieGenossenschaft Rheinland-Pfalz

Iris Degenhart-Meister, BürgerEnergieGenossenschaft Wolfhager

Kai Hock, Bürgerwerke

Christoph Bautz, Campact

Dr. Melanie Weber-Moritz und Lukas Siebenkotten, Deutscher Mieterbund

Rene Groß, Bundesgeschäftsstelle der Energiegenossenschaften, DGRV

Susanne Koschker, Energiegenossenschaften Neue Energie Ostsachsen

Kay Voßhenrich, Energiegewinner

Sebastian Sladek, Dr. Michael Sladek, Ursula Sladek, Elektrizitätswerke Schönau

Axel Gedaschko, Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen

Evelyn Bodenmeier, GermanZero

Dr. Kai Warnecke, Haus und Grund

Laura Zöckler, HEG Heidelberger Energiegenossenschaft

Burkhard Drescher, Innovation City Bottrop

Dr. Tim Meyer, NATURSTROM AG

Karl-Heinz Remmers, Solar Praxis

Anita Priller, Solarverein Frankfurt und Umgebung

Bernd Tischler, Oberbürgermeister der Stadt Bottrop

Werner Diwald, Deutscher Wasserstoff-und Brennstoffzellen-Verband

Alex Wenzel, LaNEG Hessen

Bärbel Heidebroek, LV Erneuerbare Energien Niedersachsen-Bremen

Polina Gordienko, Kommunalpolitikerin, SPD, München

Heinrich Bartelt, Windpark Druiberg

Barbara König, Wohnungsbaugenossenschaft „Bremer Höhe“

Ulf Heitmann, Bündnis Junger Genossenschaften

Olaf Bandt, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

Susanne Jung, Solarenergie-Förderverein Deutschland

[1] Artikel 21, Absatz 2, a), ii) EER II und Artikel 21 Absatz 2, b) EER II

[2] Artikel 21, Absatz 2, a), ii) EER II

[3] Artikel 22 Abs. 2 EER II

[4] Artikel 22 Ab. 4 EER II

[5] Artikel 22 Abs. 6, c) EER II

[6] Artikel 4 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit Erwägungsgrund 71 EER II

[7] Artikel 22 Abs. 2, b) EER II

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