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An: Barbara Slowik Meisel, Polizeipräsidentin Berlin, Iris Spranger (SPD), Berliner Innensenatorin, Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister Innenminister*innen der Länder
Polizeiversagen aufklären – Schutz vor sexualisierter Gewalt stärken!
Eine Frau wird betäubt, vergewaltigt, gefilmt, mit frauenverachtenden Beleidigungen beschmiert. Als die Rettungssanitäter*innen eintreffen, ist die damals 20-Jährige tot. Erst nach zwölf Minuten Reanimation kann sie wiederbelebt werden. Sie liegt mehrere Tage im Koma. Und die Polizei tut nichts. [1]
Es wurden keine Spuren gesichert, keine toxikologischen Tests angeordnet.
Eine Hausdurchsuchung – die entscheidende Beweise hätte frühzeitig sichern können – fand zunächst nicht statt. Das ist institutionelles Totalversagen.
Der Täter, Marvin S., wurde am 11. Juli 2025 verurteilt. Doch das Verhalten der Polizei bleibt ein Skandal – und bis heute ungeklärt.
Der Fall zeigt: Ein Staat, der nicht schützt, macht sich mitschuldig. Wo Polizei und Justiz strukturell wegsehen, wird der Schutz vor sexualisierter Gewalt systematisch torpediert – und das ist untragbar.
Wir fordern:
- Lückenlose Aufklärung des Polizeiversagens im Fall Marvin S. und Übernahme von Verantwortung durch die Polizei Berlin.
- Verbindliche bundesweite Schulungen für Polizeikräfte und andere (bildungs-)politischen Maßnahmen zum betroffenenorientierten Umgang mit sexualisierter Gewalt.
Warum ist das wichtig?
Der Fall Marvin S. steht exemplarisch für ein strukturelles Versagen von Polizei und Justiz im Umgang mit sexualisierter Gewalt. Trotz offensichtlicher Anzeichen für ein schweres Gewaltverbrechen unterließ es die Polizei, grundlegende Maßnahmen wie Spurensicherung, toxikologische Tests oder eine sofortige Hausdurchsuchung einzuleiten. Damit wurde nicht nur die Strafverfolgung gefährdet – es wurde das Leben und die Würde einer Betroffenen systematisch ignoriert.
Dass der Täter überhaupt zur Rechenschaft gezogen wurde, ist allein den Angehörigen der Betroffenen zu verdanken – nicht der Polizei. Gemeinsam mit der Anwältin Christina Clemm erreichten sie, dass gegen Marvin S. überhaupt ermittelt wurde.
Erst zwei Monate nach der Tat wurde seine Wohnung durchsucht. Dabei wurden Computer, Handys und Festplatten sichergestellt – Beweismittel, die entscheidend für Anklage und Prozessführung waren. Weil die Polizei nicht rechtzeitig gehandelt hat, hatte Marvin S. zwei Monate lang Zeit, diese Beweise zu vernichten, was eine Verurteilung unmöglich hätte machen können. [2]
Solche Fälle sind keine Ausnahme. Sie sind Ausdruck eines systemischen Problems. Das zeigt auch die öffentliche Aussage des Sprechers der Berliner Polizeigewerkschaft, Benjamin Jendro, zum Vorgehen der Polizei:
„Wenn der Täter sagt: "Ich hab hier nix gemacht" und das Opfer hier nicht wirklich nachweisen kann: "hier ist mir wirklich was passiert, hier ist wirklich ne Straftat", dann muss man auch – auch in so einer Situation mitunter – man sieht in Berlin ne Menge, ja – muss man vielleicht von einvernehmlichen Geschlechtsverkehr ausgehen.“ [3]
Diese Haltung zeigt, wie tief Misstrauen gegenüber Betroffenen und falsche Vorstellungen von Einvernehmlichkeit in polizeilichen Strukturen verankert sind. Sie führt dazu, dass Anzeigen fallen gelassen, Beweise nicht gesichert und Täter nicht verfolgt werden. Diese Haltung schützt Täter – und lässt Betroffene allein.
Damit sich das ändert, braucht es verbindliche Schulungen für alle Polizeikräfte – bundesweit und einheitlich. Polizeibeamt*innen müssen lernen, sexualisierte Gewalt zu erkennen, angemessen zu dokumentieren und aus einer Betroffenenperspektive zu handeln.
Grundsätzlich braucht es eine Reform des Sexualstrafrechts, damit die Realität der Betroffenen endlich abgebildet wird. Immer mehr Stimmen fordern die Einführung der „Nur Ja heißt Ja“-Regelung. [4]
Sie würde klarstellen: Ohne ausdrückliche Zustimmung ist jeder sexuelle Akt strafbar. Dann liegt die Verantwortung dort, wo sie hingehört – beim Täter.
Die aktuelle Regelung spiegelt nicht wider, wie sich Betroffene in Gewaltsituationen verhalten. Viele erstarren (Freezing) oder verhalten sich passiv – aus Angst, Überforderung oder Überraschung. Diese Reaktionen würden endlich als das anerkannt, was sie sind: Schutzmechanismen, aber keine Zustimmung.
Diese Reform würde nicht nur Rechtssicherheit schaffen, sondern Betroffene entlasten – und die strukturelle Täterfreundlichkeit des bisherigen Systems durchbrechen.
Erstunterzeichner*innen (alphabetisch sortiert):
Erstunterzeichner*innen (alphabetisch sortiert):
Çelebi, Dilken – LL.M Doktorandin Universität Münster, Rechtsreferendarin KG Berlin
Gentsch, Yanni – Aktivistin für Frauenrechte und Influencerin
Gumnior, Lena – Rechtsanwältin und MdB Bündnis 90/Die Grünen
Helm, Anne – Fraktionsvorsitzende Die Linke Berliner Abgeordnetenhaus
Merendino, Stella – Notaufnahme-Krankenpflegerin und MdB Die Linke
Die Initiative – "Nur Ja heißt Ja"
Wir fordern ein konsens-basiertes Sexualstrafrecht. Dies gilt bereits in 14 EU-Ländern. Doch Deutschland stellt sich quer. Außerdem kämpfen wir für mehr Sichtbarkeit, Schutzmaßnahmen und Gerechtigkeit für alle Betroffenen von sexualisierter Gewalt!
Wir fordern ein konsens-basiertes Sexualstrafrecht. Dies gilt bereits in 14 EU-Ländern. Doch Deutschland stellt sich quer. Außerdem kämpfen wir für mehr Sichtbarkeit, Schutzmaßnahmen und Gerechtigkeit für alle Betroffenen von sexualisierter Gewalt!
Quellen:
[1] “Die Nacht, die für immer ihr Albtraum bleibt”, Süddeutsche Zeitung, 28. Mai 2025
[2] “Vergewaltigt, gefilmt, fast gestorben – das Urteil gegen Marvin S.”, Der Spiegel, 12. Juni 2025
[3] Brisant, Sendung vom 11. Juli 2025, Minute 32:34
[4] Einführung von “Nur Ja heißt Ja”, Petition auf WeAct, 2025